Psychoanalyse: Was ist das?

Gesundheitstipps, Psychische Gesundheit

Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 13.08.2023, Lesezeit: 9 Minuten

Die Psychoanalyse ist eine tiefenpsychologische Behandlungsform, die auf den Theorien von Sigmund Freud basiert. Freud gilt als Begründer dieser Disziplin. Obwohl die Psychoanalyse oft als „Gesprächstherapie“ bezeichnet wird, geht sie weit über das bloße Gespräch hinaus. Freud entwickelte diese therapeutische Methode insbesondere für Patienten, die Ende des 19. Jahrhunderts nicht auf die damals gängigen psychologischen oder medizinischen Ansätze ansprachen.

Was sind die Grundlagen der Psychoanalyse?

Freud glaubte, dass bestimmte Probleme aus dem Unbewussten entstehen, das Gedanken, Emotionen und Handlungen beeinflusst. Unsere Vergangenheit, insbesondere unsere Kindheitserlebnisse, prägen unser gegenwärtiges Sein. Psychoanalytiker helfen ihren Klienten dabei, ihr Unbewusstes zu erkunden und verdrängte Gefühle sowie tief verwurzelte Erfahrungen aufzudecken. Wenn Menschen ein besseres Verständnis ihres Unbewussten haben, können sie die Motivationen, die ihre Denkprozesse und Handlungen beeinflussen, erkennen. Dadurch sind sie in der Lage, schädliche Verhaltensmuster zu identifizieren und zu ändern.

Die Psychoanalyse hat auch Techniken entwickelt, um menschliche Empfindungen, Gedanken und Handlungen zu untersuchen. Sie geht davon aus, dass es unter dem offensichtlichen Verhalten verborgene unbewusste Aspekte gibt, die nicht direkt erkennbar sind. Mithilfe der psychoanalytischen Methode können diese verborgenen Elemente identifiziert und interpretiert werden.

Psychoanalyse betrachtet traumatische Kindheitserlebnisse oft als verdrängt, um einen psychischen Zusammenbruch zu verhindern. Zum Beispiel kann ein Kind nicht dauerhaft die emotionale Vernachlässigung durch die Eltern ertragen. Durch das Bewusstmachen der verdrängten Erlebnisse können Patienten eine Heilung erfahren, indem sie vergangenes Leid verarbeiten. Dabei werden alte Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster durch neue ersetzt, sobald der Patient sie im Kontext seiner eigenen Leidensgeschichte versteht. Viele Patienten zeigen auch einen Wiederholungszwang, bei dem sie traumatische Situationen unbewusst wiederholen. Dies geschieht in der Hoffnung, das zugrunde liegende Problem in einer aktuellen Konfliktsituation endgültig zu bewältigen.

Welche Probleme sind durch Psychoanalyse behandelbar?

Die Anwendungsfelder der Psychoanalyse sind vielseitig und reichen von der Behandlung von Erwachsenen über Kinder und Jugendliche bis hin zu Paar- und Familientherapie, Gruppenanalyse und stationärer psychodynamischer Therapie. Zu den mittels Psychoanalyse adressierbaren Problemen zählen unter anderem Depressionen, generalisierte Ängste, sexuelle Dysfunktionen, selbstdestruktive Tendenzen, chronische psychische Leiden, Identitätsprobleme, psychosomatische Beschwerden, Phobien und Zwangserkrankungen. Es ist jedoch anzumerken, dass die Psychoanalyse bei Krankheitsbildern wie Schizophrenie oder bipolaren Störungen nicht effektiv ist.

Wie läuft eine psychoanalytische Therapie ab?

Die Psychoanalyse stellt ein tiefenpsychologisches Therapieverfahren dar. Im Gegensatz zur Verhaltenstherapie gehört sie zu den aufklärenden Therapieansätzen. Durch die Psychoanalyse wird dem Betroffenen ein tieferes Bewusstsein für oft verborgene Zusammenhänge und Ursachen seiner Beschwerden vermittelt. Dabei wird angestrebt, eine umfassende Neustrukturierung der Persönlichkeit des Betroffenen zu erreichen, besonders in jenen emotionalen und verhaltensbezogenen Bereichen, die symptomatisch für seine Probleme sind. Üblicherweise werden drei bis fünf Sitzungen wöchentlich durchgeführt. Eine psychoanalytische Therapie kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Was geschieht während einer psychoanalytischen Sitzung?

In der traditionellen Form liegt der Patient auf einer Liege und äußert, ohne Selbstzensur, jegliche Gedanken, die ihm in den Sinn kommen. Der Analytiker sitzt hinter ihm und hört mit neutraler Aufmerksamkeit zu. Zu geeigneten Zeitpunkten bietet der Analytiker Interpretationen an, welche der Patient dann reflektieren kann. Verschiedene therapeutische Methoden werden angewendet, um tiefere Einsichten zu gewährleisten:

Traumanalyse

Innerhalb der Psychoanalyse dient die Trauminterpretation dazu, verborgene Gedankengänge zu offenbaren. Freud war der Auffassung, dass unterdrückte Vorstellungen und Emotionen in Träumen zum Bewusstsein gelangen. Da Trauminhalte oftmals verändert werden, muss der Analytiker dem Patienten assistieren, den Kern des Traums zu dechiffrieren und seine versteckten Botschaften zu erfassen.

Freie Assoziation

Hierbei wird der Patient angehalten, frei über jegliche aufkommenden Gedanken zu sprechen. Oftmals liest der Analytiker eine Liste zufälliger Wörter vor, auf die der Patient spontan reagiert. Verdrängte Erinnerungen können während dieser Methode zu Tage treten.

Interpretation

Der Analytiker unterstützt den Patienten dabei, Erinnerungen und persönliche Geschichten detailliert zu untersuchen und interpretiert diese. Hierbei sucht der Therapeut in den Erzählungen des Patienten nach wiederkehrenden Mustern. Ein bekanntes Phänomen ist der „Freudsche Versprecher“, bei dem Patienten unabsichtlich bedeutsame Informationen preisgeben. Die ungewollte Wortwahl des Patienten wird vom analytischen Therapeuten gedeutet.

Übertragung

Bei der Übertragung projizieren Patienten Emotionen, die sie in der Vergangenheit für eine andere Person empfanden, auf aktuelle Situationen oder Personen. Oftmals kann diese Übertragung zwischen Patient und Analytiker stattfinden, wobei der Patient Emotionen auf den Therapeuten projiziert, die eigentlich einer anderen Person aus seiner Vergangenheit gelten.

Ziele der psychoanalytischen Methode

Ein primäres Ziel der Psychoanalyse besteht darin, Patienten bei der Erkennung verborgener Gedanken, Verhaltensmuster und Wünsche zu unterstützen, die Konflikte im Alltag verursachen. Dabei wird angestrebt, dem Patienten ein Verständnis für tiefsitzende Probleme und eine nicht adaptive Lebenssicht zu vermitteln. Durch die Psychoanalyse wird dem Patienten ermöglicht, eine veränderte Perspektive einzunehmen, die signifikantes Wachstum und positive Veränderungen in seinem Leben bewirken kann.

Was sind die Vor- und Nachteile der Psychoanalyse?

Die Psychoanalyse ist eine Form der psychotherapeutischen Behandlung, die auf den Theorien und Methoden von Sigmund Freud basiert. Wie bei jeder Therapieform gibt es auch bei der Psychoanalyse Vor- und Nachteile. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Punkte aufgeführt:

Vorteile der Psychoanalyse

  1. Ursachenorientierung: Im Gegensatz zu einigen anderen Therapieformen zielt die Psychoanalyse darauf ab, die tief liegenden Ursachen von psychischen Problemen aufzudecken und zu bearbeiten. Anstatt nur die Symptome zu behandeln, konzentriert sie sich auf die unbewussten Motive, Konflikte und traumatischen Erfahrungen, die zu psychischen Schwierigkeiten führen können.
  2. Behandlung von Therapieresistenz: In einigen Fällen sprechen Menschen, die nicht auf konventionelle Therapien oder Medikamente ansprechen, auf die Psychoanalyse an. Diese tiefenpsychologische Behandlungsform kann helfen, tieferliegende, unbewusste Konflikte anzugehen, die bei anderen Therapieansätzen möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt werden.
  3. Einsicht und Selbsterkenntnis: Die Psychoanalyse bietet eine detaillierte Untersuchung der Ursprünge von Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. Durch die Analyse und Interpretation von Träumen, freien Assoziationen und der Übertragungsdynamik kann ein tieferes Verständnis des eigenen Selbst entwickelt werden. Dies kann zu einer erhöhten Selbsterkenntnis und einer besseren Bewältigung von Problemen führen.
  4. Persönlichkeitswachstum: Die intensive und langfristige Natur der Psychoanalyse ermöglicht es den Patienten, über einen längeren Zeitraum hinweg an der Entwicklung und Veränderung ihrer Persönlichkeit zu arbeiten. Durch die Auseinandersetzung mit unbewussten Konflikten und traumatischen Erfahrungen kann ein positiver Wachstumsprozess stattfinden.

Nachteile der Psychoanalyse

  1. Schmerzhafte Erinnerungen: In der Psychoanalyse kann es erforderlich sein, schmerzhafte oder unangenehme Erinnerungen zu entdecken und zu bearbeiten, die möglicherweise über viele Jahre hinweg unterdrückt wurden. Dieser Prozess kann für manche Menschen sehr belastend sein und erfordert eine angemessene Unterstützung und Begleitung durch den Therapeuten.
  2. Nicht für alle psychischen Störungen geeignet: Die Psychoanalyse ist nicht für alle psychischen Gesundheitsprobleme gleichermaßen geeignet. Beispielsweise ist sie keine primäre Behandlungsoption für schwere psychotische Störungen wie Schizophrenie oder akute Krisen. In solchen Fällen können andere Therapieformen, wie z.B. medikamentöse Behandlungen, erforderlich sein.
  3. Zeit- und Kostenaufwand: Die Psychoanalyse erfordert in der Regel eine langfristige Behandlung, die über mehrere Jahre hinweg stattfinden kann. Dies erfordert ein hohes Maß an Engagement sowohl seitens des Patienten als auch des Analytikers. Darüber hinaus kann die Psychoanalyse aufgrund der intensiven Einzeltherapie-Sitzungen auch mit höheren Kosten verbunden sein.

Es ist wichtig zu beachten, dass sich die Vor- und Nachteile der Psychoanalyse je nach individuellen Bedürfnissen und Zielen einer Person unterscheiden können. Die Entscheidung für eine bestimmte Therapieform sollte immer in Absprache mit einem qualifizierten Therapeuten getroffen werden, der die individuelle Situation des Patienten berücksichtigen kann.

Wie lange dauert eine typische Psychoanalyse-Behandlung?

Eine typische Psychoanalyse-Behandlung ist in der Regel langfristig und kann über mehrere Jahre hinweg dauern. Die genaue Dauer hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Schwere der Symptome, der Komplexität der zugrunde liegenden Probleme und der individuellen Bedürfnisse des Patienten.

Eine Psychoanalyse-Behandlung besteht normalerweise aus regelmäßigen Sitzungen, die in der Regel einmal oder zweimal pro Woche stattfinden. Jede Sitzung dauert in der Regel 45 bis 50 Minuten, obwohl es auch längere Sitzungen geben kann. Die Häufigkeit und Dauer der Sitzungen können jedoch je nach den individuellen Umständen angepasst werden.

Der therapeutische Prozess in der Psychoanalyse erfordert Zeit, um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut aufzubauen und die zugrunde liegenden psychischen Konflikte, Muster und unbewussten Prozesse zu erkunden. Es geht darum, tief verwurzelte Probleme zu verstehen und Veränderungen auf einer grundlegenden Ebene zu ermöglichen.

Es ist wichtig anzumerken, dass die Psychoanalyse nicht für jeden Menschen und jedes Problem geeignet ist. In einigen Fällen können andere Therapieformen, wie z.B. kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze, eine effektivere und kürzere Behandlungsoption sein. Die Entscheidung für eine Psychoanalyse-Behandlung sollte immer individuell mit einem qualifizierten Psychoanalytiker oder Therapeuten besprochen werden, um die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Patienten zu berücksichtigen.

Quellen und weiterführende Literatur zur Psychoanalyse

  • Psychoanalyse, Wikipedia 2023
  • Siegfried Elhardt: Tiefenpsychologie. Eine Einführung. 16. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 2006
  • Daniel Pick: Psychoanalyse. Eine sehr kurze Einführung. Turia + Kant, Wien/Berlin 2019
  • Wolfgang Mertens: Psychoanalyse. Geschichte und Methoden. 4., aktualisierte Auflage. Beck, München 2008
  • Helmut Thomä, Horst Kächele: Psychoanalytische Therapie. 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Heidelberg 2006
  • Wolfgang Mertens, Bruno Waldvogel (Hrsg.): Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe. Kohlhammer, Stuttgart 2008

Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage wissenschaftlicher Fachliteratur und fundierter empirischer Studien und Quellen erstellt und in einem mehrstufigen Prozess überprüft.

Wichtiger Hinweis: Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

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