Lebenserwartung bei Diabetes Typ 2 sinkt bei Frauen um bis zu 16 Jahre

Diabetes-Forschung 2024, Gesundheitsnews, Medizin und Forschung

Torsten Lorenz, aktualisiert am 15.03.2024, Lesezeit: 9 Minuten

Zunehmende Fettleibigkeit, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel führen weltweit zu einem rapiden Anstieg von Diabetes Typ 2. Dabei erkranken auch immer mehr junge Erwachsene und sogar Jugendliche an Diabetes.

So stark sinkt die Lebenserwartung von Diabetikern

Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, die im Alter von 30 Jahren an Diabetes Typ 2 erkranken, eine um bis zu 14 Jahre verkürzte Lebenserwartung haben.

Auch bei Menschen, die erst später – mit 50 Jahren – an Diabetes erkranken, könnte die Lebenserwartung um bis zu sechs Jahre sinken, wie eine Analyse von Daten aus 19 Ländern mit hohem Einkommen ergab.

Die Forschungsergebnisse, die in der Fachzeitschrift The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht wurden, unterstreichen die dringende Notwendigkeit, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die den Ausbruch von Diabetes verhindern oder hinauszögern.

Die Forscherinnen und Forscher der Universitäten Cambridge und Glasgow stellten außerdem fest, dass der größte Teil der diabetesbedingten Verkürzung der Lebenserwartung auf „vaskuläre Todesfälle“ zurückzuführen ist – Todesfälle im Zusammenhang mit Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Aneurysmen.

Diabetes und seine Folgen für die Gesundheit

Diabetes Typ 2 erhöht das persönliche Risiko für eine Reihe schwerwiegender gesundheitlicher Folgen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, Nierenerkrankungen und Krebs. Nach früheren Schätzungen sterben Erwachsene mit Diabetes Typ 2 im Durchschnitt sechs Jahre früher als Erwachsene ohne Diabetes.

  • Unklar war bisher jedoch, inwieweit diese durchschnittliche Verkürzung der Lebenserwartung mit dem Alter der Erkrankten variiert.

Um diese Frage zu beantworten, haben Wissenschaftler der University of Cambridge und der University of Glasgow die Daten von zwei großen internationalen Studien – der Emerging Risk Factors Collaboration und der UK Biobank – mit insgesamt 1,5 Millionen Menschen ausgewertet.

Frauen haben eine geringere Lebenserwartung als Männer

Je früher Diabetes Typ 2 diagnostiziert wurde, desto stärker sank die Lebenserwartung der Betroffenen. Insgesamt war jedes Jahrzehnt, in dem Diabetes früher diagnostiziert wurde, mit einer um etwa vier Jahre verkürzten Lebenserwartung verbunden.

Anhand von Daten aus der US-Bevölkerung schätzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass Menschen mit Diabetes Typ 2, die im Alter von 30, 40 bzw. 50 Jahren diagnostiziert wurden, im Durchschnitt etwa 14, 10 beziehungsweise 6 Jahre früher starben als Menschen ohne Diabetes.

  • Diese Berechnungen waren für Frauen etwas höher (16, 11 bzw. 7 Jahre) als für Männer (14, 9 bzw. 5 Jahre).

Die auf den Daten der Europäischen Union basierenden Analysen ergaben sehr ähnliche Ergebnisse (durchschnittlich 13, 9 beziehungsweise 5 Jahre bis zum Tod).

25% der unter 34-Jährigen haben bereits eine Störung des Glukosestoffwechsels

Angesichts der Tatsache, dass Diabetes Typ 2 auch bei Jugendlichen und sogar Kindern keine Seltenheit mehr ist, hat eine spezielle Arbeitsgruppe des US-Gesundheitsministeriums die Altersgrenze für das allgemeine Diabetes-Screening von 40 auf 35 Jahre herabgesetzt.

Angesichts der Zahlen wird jedoch bezweifelt, dass diese Herabsetzung des Screeningalters niedrig genug ist.

Das Problem: Knapp 25 Prozent der US-Amerikaner haben bereits im Alter zwischen 19 und 34 Jahren einen gestörten Glukosestoffwechsel, wie eine der Studien zeigt, die in der Fachzeitschrift JAMA Network veröffentlicht wurde.

Häufigkeit von Prädiabetes

Von Prädiabetes spricht man, wenn der Blutzuckerspiegel höher als normal ist, aber nicht so hoch, dass man von Diabetes sprechen kann.

Prädiabetes sollte dennoch sehr ernst genommen werden, da die Gefahr besteht, an Diabetes zu erkranken.

Viele der Faktoren, die das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, erhöhen auch das Risiko für Prädiabetes.

Nach der Diabetesstatistik der Centers for Disease Control and Prevention ist etwa jeder dritte Amerikaner von Prädiabetes betroffen.

  • In Deutschland leidet nach Angaben des RKI etwa ein Fünftel der 18- bis 79-Jährigen an Prädiabetes.

Diabetes Typ 2 vorbeugen

Diabetes kann schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Herzerkrankungen, Schlaganfall, Augen- und Fußprobleme verursachen. Auch Prädiabetes kann zu Gesundheitsproblemen führen.

Die Entwicklung von Diabetes Typ 2 kann jedoch verzögert oder sogar verhindert werden. Je länger man an Diabetes leidet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich gesundheitliche Probleme entwickeln.

Man kann die Entstehung von Diabetes Typ 2 verhindern oder hinauszögern, indem man sein Gewicht etwas reduziert, eine kalorienreduzierte Diät einhält und an den meisten Tagen der Woche körperlich aktiv ist.

Wie kann man sein Risiko für Diabetes Typ 2 senken?

Studien wie das Diabetes-Präventionsprogramm zeigen, dass man selbst einiges tun kann, um sein Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, zu senken.

Hier sind einige Dinge, die man ändern kann, um sein Risiko zu senken:

Abnehmen und Gewicht halten

Diabetes kann verhindert oder hinausgezögert werden, wenn die Betroffenen 5 bis 7 Prozent ihres Ausgangsgewichts verlieren. Wenn eine Person beispielsweise 100 kg wiegt, sollte sie versuchen, 5 bis 7 kg abzunehmen.

Mehr Bewegung

Mindestens 30 Minuten körperliche Aktivität an 5 Tagen pro Woche. Wer bisher nicht aktiv war, sollte mit seinem Arzt oder seiner Ärztin besprechen, welche Aktivitäten am besten geeignet sind.

Hauptsächlich gesund essen

Kleinere Portionen helfen, die tägliche Kalorienzufuhr zu reduzieren und die Gewichtsabnahme zu unterstützen. Die Auswahl von Lebensmitteln mit weniger Fett ist eine weitere Möglichkeit, Kalorien zu reduzieren. Zuckerhaltige Getränke sollten durch Wasser ersetzt werden.

Bei Obst sollten zuckerarme Sorten wie Aprikose, Beerenobst, Kiwi, Pfirsich, Pflaume, Sauerkirsche, Wassermelone sowie Zitrusfrüchte bevorzugt werden. Sehr süße Sorten wie Ananas, Bananen und Weintrauben sind dagegen eher zu meiden.

Ernährungsexperten empfehlen zudem eine salz- und zuckerarme Ernährungsweise mit reichlich Gemüse und wenig rotem Fleisch. Zum Kochen sollten hochwertige Pflanzenöle verwendet werden.

  • Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, was Sie sonst noch tun können, um Diabetes Typ 2 vorzubeugen oder hinauszuzögern.

In den meisten Fällen ist eine langfristige Änderung der Lebensgewohnheiten die beste Möglichkeit, Diabetes Typ 2 vorzubeugen.

Wie Insulinresistenz und Prädiabetes entsteht

Die Ursachen für Insulinresistenz und Prädiabetes sind noch nicht vollständig geklärt, aber die Wissenschaft geht davon aus, dass Übergewicht und Bewegungsmangel wichtige Einflussfaktoren sind.

Übermäßiges Gewicht

Nach Ansicht von Fachleuten ist Adipositas (Fettleibigkeit), insbesondere zu viel Körperfett im Bauchraum und um die Organe herum, das so genannte viszerale Fett, eine der Hauptursachen für Insulinresistenz.

Ein Taillenumfang von etwa 100 cm oder mehr bei Männern und etwa 130 cm oder mehr bei Frauen wird mit Insulinresistenz in Verbindung gebracht. Dieser Zusammenhang besteht auch dann, wenn der Body-Mass-Index (BMI) im Normalbereich liegt.

Früher gingen Wissenschaftler davon aus, dass Fettgewebe nur der Energiespeicherung dient. Studien haben jedoch gezeigt, dass Bauchfett Hormone und andere Stoffe produziert, die zu chronischen oder lang anhaltenden Entzündungen im Körper beitragen können.

Entzündungen können bei Insulinresistenz, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen.

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) kann zu Insulinresistenz führen, die wiederum eine Rolle bei der Entwicklung einer Fettleber spielen kann.

Körperliche Inaktivität

Unzureichende körperliche Aktivität wird mit Insulinresistenz und Prädiabetes in Verbindung gebracht. Regelmäßige körperliche Aktivität bewirkt Veränderungen im Körper, die es ihm ermöglichen, den Blutzuckerspiegel besser im Gleichgewicht zu halten.

Symptome der Insulinresistenz und des Prädiabetes

Insulinresistenz und Prädiabetes verursachen in der Regel keine Symptome. Bei einigen Menschen mit Prädiabetes kann sich die Haut in den Achselhöhlen oder auf dem Rücken und an den Seiten des Nackens verdunkeln, was als Akanthosis nigricans bezeichnet wird. In diesen Bereichen treten oft viele kleine Hautwucherungen auf, die so genannten Skin Tags.

Obwohl der Blutzuckerspiegel bei den meisten Menschen nicht hoch genug ist, um Symptome zu verursachen, haben einige Studien gezeigt, dass bei einigen Menschen mit Prädiabetes frühe Veränderungen an den Augen auftreten können, die zu einer Retinopathie führen können. Ein Problem, das bei Menschen mit Diabetes häufiger auftritt.

Diagnose der Insulinresistenz und des Prädiabetes

Um festzustellen, ob eine Person an Prädiabetes leidet, führen Ärzte Bluttests durch, bei denen in der Regel nicht auf Insulinresistenz getestet wird. Der genaueste Test auf Insulinresistenz ist kompliziert und wird hauptsächlich zu Forschungszwecken eingesetzt.

Am häufigsten verwenden Ärzte den Nüchtern-Plasma-Glukose-Test (FPG) oder den HbA1c-Test, um Prädiabetes zu diagnostizieren. Seltener verwenden Ärzte den oralen Glukosetoleranztest (OGTT), der teurer und schwieriger durchzuführen ist.

Der HbA1c-Test gibt den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten 3 Monate an. Der Nüchtern-Plasma-Glukose-Test (FPG) und der orale Glukosetoleranztest zeigen den Blutzuckerwert zum Zeitpunkt der Messung an. Der A1C-Test ist nicht so empfindlich wie die anderen Tests. Bei manchen Menschen kann er einen Prädiabetes übersehen, der durch den oralen Glukosetoleranztest entdeckt werden kann.

Mit dem oralen Glukosetoleranztest kann festgestellt werden, wie der Körper nach einer Mahlzeit mit Glukose umgeht – oft bevor der Nüchternblutzucker abnormal wird. Ärzte verwenden den oralen Glukosetoleranztest (OGTT) häufig, um auf Schwangerschaftsdiabetes zu testen, eine Form von Diabetes, die sich während der Schwangerschaft entwickelt.

  • Menschen mit Prädiabetes haben ein Risiko von bis zu 50 Prozent, in den nächsten 5 bis 10 Jahren an Diabetes zu erkranken.

Quellen

  • S Kaptoge et al, Life expectancy associated with different ages at diagnosis of type 2 diabetes in high-income countries: 23 million person-years of observation, The Lancet Diabetes & Endocrinology (2023). DOI: 10.1016/S2213-8587(23)00223-1
  • US Preventive Services Task Force. Screening for Prediabetes and Type 2 Diabetes: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2021;326(8):736–743. doi:10.1001/jama.2021.12531
  • Diabetes Prevention Program Research Group. Long-term effects of lifestyle intervention or [ … (Antidiabetikum)] on diabetes development and microvascular complications over 15-year follow-up: the Diabetes Prevention Program Outcomes Study. The Lancet Diabetes & Endocrinology. 2015;3(11):866875. Diabetes Prevention Program Outcomes Study website.
  • National Diabetes Statistics Report, 2017. Centers for Disease Control and Prevention https://www.cdc.gov/diabetes/data/statistics/statistics-report.html
  • American Diabetes Association. Standards of medical care in diabetes—2017. Diabetes Care. 2017;40(Suppl 1).

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Wichtiger Hinweis: Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

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